Newsbeitrag vom 05.06.2014

EZB beschließt Maßnahmenbündel für mehr Inflation

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Ratssitzung in Frankfurt eine weitere Senkung des bereits sehr niedrigen Leitzinses beschlossen und erhebt erstmals Strafzinsen für Einlagen der Banken. Den für die Eurozone maßgeblichen Leitzins wird sie mit Wirkung zum 11.6.14 um 10 Basispunkte auf 0,15 Prozent zurücknehmen. Da das Standardrepertoire ausgereizt ist, steht jetzt zum ersten Mal in der Geschichte bei einer der großen Notenbanken ein Minuszeichen vor einem der Zinssätze. Und zwar vor jenem Zinssatz, zu dem Banken bei der EZB überschüssige Liquidität kurzfristig parken können. Hier wurde entschieden, von zuletzt keiner Verzinsung auf minus 0,10 Prozent zu senken. EZB-Präsident Mario Draghi erklärte, was die Zinspolitik anbelangt, weitere Senkungen unwahrscheinlich sind. "Der untere Rand ist heute erreicht", sagte er. Die Notenbank beschloss zudem langfristige Geldspritzen im Gesamtvolumen von 400 Milliarden Euro: Im September und im Dezember dieses Jahres werden sich die Geschäftsbanken günstiges Geld jeweils für eine Laufzeit von vier Jahren leihen können, ähnlich der beiden Geldspritzen, im Rahmen derer sie schon einmal insgesamt rund eine Billion Euro bekamen. Die Vergabe wird anders als zuvor mit einer Auflage verbunden sein, die Mittel zumindest teilweise an Unternehmen weiterzureichen. Außerdem kündigte die EZB ein Kaufprogramm für Kreditverbriefungen an, Banken können dann ihre vergebenen Kredite zusammengefasst an die EZB verkaufen und sind damit das Ausfallrisiko los. Weitere Maßnahmen wurden in Aussicht gestellt, sollten diese notwendig sein.

Mit dem Paket wird versucht, die schwache gesamtwirtschaftliche Konjunktur in der Währungsunion anzutreiben und Inflation zu erzeugen. Die Inflationsrate in der Eurozone sank nämlich nach einer ersten Schätzung im Mai auf 0,5 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. Auch in Deutschland ist die jährliche Teuerungsrate mit 0,9 Prozent nach dem kleinen Zwischenhoch zu Ostern wieder rückläufig. Noch sieht die Notenbank keine wachstumsschädliche Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und Löhnen, sie will aber sicher gehen, dass es nicht zu einem Abgleiten in die Deflation kommt. Der Eurokurs im Verhältnis zum US-Dollar spielte bei den Entscheidungen ebenso eine Rolle. Ist der Euro zu stark, schwächt er den Preisanstieg durch günstige Einfuhren und bremst die Konjunktur über teure Ausfuhren.

Draghi hatte schon auf der Pressekonferenz im Mai zu verstehen gegeben, der Rat wolle im Juni aktiv werden. Seitdem hatten er und andere Ratsmitglieder mit ihren Äußerungen wie selten zuvor darauf eingestimmt, welche Möglichkeiten man im Kampf gegen die drohende Deflation hat. Die Erwartungen an den Aktienmärkten waren im Vorfeld entsprechend groß, es wurde fest mit mehreren Maßnahmen gerechnet. Die Niedrigzinsphase darf jedoch nicht ewig anhalten. Billiges Geld und Markteingriffe, um die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euro-Länder zu verbessern - das geht vielen zu weit, weil es unerfreuliche Nebenwirkungen hat. So macht das Minuszeichen klar sichtbar, was längst eingetreten ist: Wer sicher anlegt, wird nicht mehr belohnt, sondern verliert nach Abzug von Inflation und Steuern. Geldvermögen wird entwertet, die private Altersvorsorge gefährdet, Kapital strömt vermehrt in Immobilien und Investments mit Verlustrisiken und ist Grundlage für neue Finanzblasen.