Newsbeitrag vom 01.07.2023

EU-Vorhaben setzt Neobrokern und alternativen Handelsplätzen schwer zu

Der sogenannte Payment-for-Order-Flow (PFOF) wird wohl tatsächlich gänzlich in der EU verboten, was Geschäftsmodelle durchkreuzen wird. Auf EU-Ebene will man es durchsetzen. In einer Pressemitteilung vom 29.6.23 teilte der Europäische Rat mit, dass Rat und Parlament eine vorläufige Einigung über Änderungen mehrerer EU-Vorschriften zum Wertpapierhandel erzielt haben. Darunter auch ein Verbot von PFOF.

PFOF ist eine Kooperationsform, bei der Broker Zuwendungen für das Weiterleiten von Kundenaufträgen an bestimmte Handelsplätze erhalten. Es ermöglichte ihnen gleichzeitig, die Orderausführung zu sensationell niedrigen direkten Orderentgelten anzubieten. Gerade die Neobroker haben so wesentlich dazu beigetragen, dass in Deutschland in den vergangenen Jahren breitere Bevölkerungskreise in Aktien und ETFs investierten.

Bis zum vollständigen Verbot ist eine dreijährige Übergangsregelung vorgesehen: Den Mitgliedstaaten, in denen PFOF bereits praktiziert wurde, wird die Möglichkeit eingeräumt, die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Unternehmen längstens bis zum 30.6.26 von dem Verbot auszunehmen, sofern PFOF nur Kunden in diesem Mitgliedstaat angeboten wird. Die Entscheidung für das Verbot zeigt die Absicht, Verbraucherinteressen zu schützen und den Finanzmarkt transparenter zu machen. Die nächsten Schritte sind, wie in der Pressemitteilung erwähnt, den Wortlaut der vorläufigen politischen Einigung zu konsolidieren und die formelle Annahme des Textes sowohl durch den Rat als auch durch das Parlament. Der Prozess des Konsolidierens besteht hauptsächlich aus technischen Überprüfungen und sprachlichen Korrekturen und beinhaltet normalerweise keine substanziellen Änderungen mehr.

In den vergangenen Monaten gab es immer mal wieder Debatten zu dem Thema. Als problematisch wird vor allem der Interessenkonflikt angesehen, zwischen Zuwendungen erzielen und der gesetzlichen Auflage, Kundenaufträge bestmöglich auszuführen, was sich auf den Wertpapierkurs bezieht. Die verschiedenen Lobbygruppen haben versucht, auf den Entscheidungsprozess einzuwirken. Einige EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, wo mehrere Neobroker ansässig sind, setzten sich für mildere Lösungen ein, während andere EU-Mitgliedstaaten, darunter die Niederlande, für ein Verbot waren. Um dennoch voranzukommen, wurde entschieden, zunächst die Auswirkungen zu untersuchen. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin kam in ihrer Studie vom Mai 2022 - es gibt auch andere innerhalb der EU - zu einem differenzierten Ergebnis und stellte fest, dass die Ausführung über Handelsplätze, die PFOF gewähren, für Kundenaufträge mit kleineren Volumina überwiegend vorteilhaft sei.

Es ist davon auszugehen, dass Deutschland die Übergangsregelung so lange wie möglich in Anspruch nimmt. Die großen Börsen wie Deutsche Börse und Euronext profitieren am meisten von einem Verbot, ihre Vormachtstellung wird gefestigt. Handelsplätze wie LS Exchange und gettex, die ihnen durch die Deals mit den Brokern Marktanteile abgenommen haben, könnten zukünftig wieder ins Hintertreffen geraten. Neobroker wie Trade Republic und Scalable Capital, die ihr Geschäftsmodell auf PFOF aufgebaut haben, stehen vor der Herausforderung, sich neu aufstellen zu müssen; ob durch andere Einnahmequellen, sofern zulässig andere Kooperationsformen, Preisanhebungen oder kreative Abo-Pakete. Aufgrund ihrer schlanken Struktur und ihres hohen Digitalisierungsgrades dürften sie weiterhin günstig bleiben. Aber die Kunden werden nicht mehr die Wahl zwischen den beiden unterschiedlichen Systemen haben, sie werden sich auf ein Ende der ganz niedrigen Orderentgelte einstellen müssen.