tradegate.direct fordert Neobroker heraus
Die Tradegate AG Wertpapierhandelsbank, Hauptanteilseigner der Börse Tradegate Exchange neben der Deutschen Börse AG, startete am 3.6.24 unter der Marke "tradegate.direct" einen eigenen Brokerage-Anbieter. Dadurch können Privatanleger direkt bei ihr ein Depot eröffnen und an der hauseigenen Börse handeln.
Ausschnitt Preis- und Leistungsverzeichnis zu den Orderpreisen und Mindestordervolumen
Das Angebot von tradegate.direct umfasst die kostenlose Depot- und Kontoführung sowie den Aktien- und ETF-Handel ohne direkte Orderentgelte. Es werden automatisch zwei Depots eingerichtet: eines für Trading und eines für langfristiges Investieren, natürlich können sie aber nach Belieben verwendet werden. Der Zugang erfolgt über die App (verfügbar im App Store und bei Google Play) oder einen Webbrowser. Es können Aktien, ETPs (die Abkürzung steht für "Exchange Traded Products", also insbesondere ETFs) und Mini-Futures (eine Art Hebelprodukte) gehandelt werden. Alle Ordertypen werden unterstützt. Für Käufe gilt derzeit ein Mindestordervolumen von EUR 500,00 bei Aktien und EUR 100,00 bei ETFs. Kauforders unter dem Mindestordervolumen werden gar nicht erst angenommen. Für Verkäufe ist kein Mindestordervolumen vorgegeben.
Neobroker wie Trade Republic und Scalable Broker bieten ebenfalls nahezu einen Handel ohne direkte Orderentgelte, erheben jedoch entweder eine geringe Fremdkostenpauschale oder das kleine Entgelt bzw. den Abopreis, die steuerlich nicht automatisch als Kauf- bzw. Verkaufskosten gelten. Zudem unterscheiden sich die Ausführungsorte: gettex oder Lang & Schwarz sind die bei Neobrokern beliebten Handelsplatzpartner, da sie ihnen höhere Zahlungen für die Umsätze geboten haben. tradegate.direct leitet die Orders ausschließlich an die Tradegate Exchange, die für ihre hohe Liquidität bekannt ist und entsprechend hin und wieder die engeren Spreads haben sollte.
Spannend ist die Einführung von tradegate.direct vor dem Hintergrund des in Deutschland ab Juli 2026 geltenden Verbots des Payment-for-Order-Flow (PFOF). Es ist das Geschäftsmodell, das vielen Neobrokern den provisionsfreien Handel erst ermöglicht hat. Während diese Alternativen finden müssen, könnte tradegate.direct einer der Lösungsansätze sein, da das Brokerage-Angebot praktisch direkt von einer Börse bzw. einem Market-Maker kommt, was die kritisierten Zahlungen erübrigt, in der Wertschöpfungskette steht ein Unternehmen weniger. Umgekehrt ist es denkbar, dass einige Neobroker künftig Transaktionen selbst ausführen wollen, als Market-Maker agieren.
Beim Brokerage fängt tradegate.direct bei null an, im Vergleich zu den Neobrokern, die einen Entwicklungsvorsprung von bis zu fünf Jahren haben, fehlt es noch an Komfort und Zusatzleistungen. Um in größerem Umfang Kunden zu gewinnen, müssen sie hier nachlegen. Sparpläne werden derzeit nicht unterstützt. Eine Verzinsung des Guthabens oder Wertpapierkredite werden nicht angeboten. Aus Kundensicht relativiert der entgangene Zinsertrag beim Bereithalten von Liquidität die Kostenersparnis bei den Orderentgelten. Wertpapierüberträge sind weder ein- noch abgehend möglich, außer abgehend bei vollständiger Depotauflösung. Freiwillige Kapitalmaßnahmen sind bepreist, bei konkreter Weisung mit EUR 15,00 und ohne Weisung mit EUR 1,00. Ausschüttungen von ETFs und Dividendenzahlungen werden aber gebührenfrei gutgeschrieben, nur bei Fremdwährungsumrechnungen fällt eine Marge an.
Im Hintergrund übernimmt die BNP Paribas die Wertpapierabwicklung. Alleiniger Vertragspartner der Kunden sowie der Konto- und Depotführer ist jedoch die Tradegate AG Wertpapierhandelsbank. Sie verfügt über eine Vollbanklizenz und die bei ihr unterhaltenen Einlagen sind über die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken bis EUR 100.000 pro Einleger geschützt. Dies ist eine übliche Aufteilung, wie sie bei vielen traditionellen Banken zu finden ist. Bei den Neobrokern ohne Banklizenz ist es anders, sie lassen Depot und Konto von einer Partnerbank führen. An der Tradegate AG Wertpapierhandelsbank sind interessanterweise wiederum zwei der im Beitrag genannten Unternehmen beteiligt: Die BNP Paribas und die Deutsche Börse halten jeweils 19,62%, die Berliner Effektengesellschaft ist mit 56,57% Hauptaktionär.