Newsbeitrag vom 06.06.2024

Wendepunkt bei den Leitzinsen: EZB senkt um 0,25 Prozentpunkte

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 6.6.24 in ihrer Ratssitzung beschlossen, ihren Leitzins von 4,50% auf 4,25% und die Einlagefazilität von 4,00% auf 3,75% nach unten zu setzen. Die Änderungen treten am 12.6.24 in Kraft. Es ist die erste Zinssenkung nach der Nullzinsphase, einer Serie von zehn Anhebungen und der achtmonatigen Zinspause.

Die Entscheidung der EZB, im Juni zu senken, kam nicht überraschend, da zahlreiche Mitglieder des EZB-Rats, darunter auch die EZB-Präsidentin Christine Lagarde selbst, dies in den Wochen zuvor mehr oder weniger deutlich signalisiert hatten. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau sprach von einer beschlossenen Sache, an der nicht mehr zu rütteln sei. Den Währungshütern blieb daher wenig Spielraum, sie mussten liefern, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, auch wenn die jüngsten Inflationsdaten und Konjunkturindikatoren eine abwartende Haltung nahegelegt hätten.

Parallel zur Zinssenkung hob die EZB ihre Inflationsprognose für dieses und kommendes Jahr an. Sie erwartet nun 2,5% für 2024 und 2,2% für 2025. Die Inflation im Euroraum ist im Mai nach vorläufigen Schätzungen von 2,4% auf 2,6% gestiegen und hält sich damit hartnäckig über dem Zielwert von 2,0%. Auch das Wachstum der Tariflöhne hat sich beschleunigt, was die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale erhöht. Einige Kritiker halten die Zinssenkung daher für verfrüht und warnen davor, dass die EZB die Inflationsrisiken unterschätzen könnte. Insgesamt erscheint der Zeitpunkt nicht ideal, aber angesichts des kleinen Zinsschritts für vertretbar.

In der Pressekonferenz bezeichnete Lagarde weitere Zinssenkungen zwar als "sehr wahrscheinlich", jedoch werde sich dieser Prozess hinziehen. Das weitere Vorgehen hänge von den eingehenden Daten ab. Die gleichzeitige Zinssenkung und Anhebung der Inflationsprognosen wirft die Frage auf, wie das zusammenpasst. Lagarde argumentierte, das Vertrauen in die Annäherung der Inflation an das Ziel sei gestiegen. Die EZB hat es "nicht eilig, ihre Politik zu lockern", kommentierte Mark Wall, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Die Zinswende ist also da, ein Trend zu weiteren Zinssenkungen in rascher Folge ergibt sich daraus vorerst aber wohl nicht.

Ein Risiko liegt auch im Auseinanderdriften der Geldpolitik gegenüber der US-Notenbank. Während die EZB die Zinsen senkt, zeigt die US-Notenbank derzeit keine Anzeichen für eine baldige Lockerung. Das niedrigere Zinsniveau könnte den Euro gegenüber dem US-Dollar schwächen, da Anlagen in Euro weniger attraktiv werden. Ein schwächerer Euro kann zwar die europäischen Exporte ankurbeln, verteuert aber die Importe und könnte so den Inflationsdruck weiter erhöhen.