EZB senkt Zinsen - Konjunktursorgen überwiegen
Die Europäische Zentralbank (EZB) beschleunigt ihre geldpolitische Lockerung, auf ihrer auswärtigen Sitzung im slowenischen Ljubljana beschloss sie am 17.10.24 eine weitere Zinssenkung um jeweils 0,25 Prozentpunkte. Es ist bereits die dritte in diesem Jahr. Der für die Finanzmärkte wichtige Einlagensatz wird von 3,50% auf 3,25% verringert und der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte von 3,65% auf 3,40%. Die neuen Zinssätze gelten ab dem 23.10.24.
Unmittelbar nach der letzten Sitzung im September hatten die meisten Experten erst im Dezember mit dem nächsten Zinsschritt gerechnet, was dem bisherigen Rhythmus von einer Senkung pro Quartal entsprochen hätte. Doch die seitdem veröffentlichten Inflations- und Konjunkturdaten änderten die Sicht. Der Rückgang der Inflation war zum Teil auf statistische Basiseffekte zurückzuführen, überraschte jedoch durch seine Intensität. Im September lag die Inflationsrate im Euroraum erstmals seit über drei Jahren unter der 2,0%-Marke. In einer ersten Schätzung hatte das Statistikamt Eurostat 1,8% ermittelt, nur wenige Stunden vor dem Zinsentscheid wurde sie leicht korrigiert, auf 1,7%. In Deutschland lag sie nach nationaler Berechnung bei 1,6%. Trotz dieser positiven Entwicklung bleiben Risiken bestehen. Die Teuerung im Dienstleistungssektor verharrt hartnäckig bei rund 4,0%. Zudem könnten die hohen Lohnabschlüsse mittelfristig wieder preistreibend wirken. Experten rechnen daher in den kommenden Monaten mit einem leichten Anstieg. Am Tag vor der Sitzung veröffentlichten das Münchner Ifo-Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik ein Umfrageergebnis unter Wirtschaftsexperten weltweit. Darin kamen sie zu dem Schluss, dass mittelfristig eine Inflation über dem Zielwert der EZB erwartet wird.
Die Entscheidung der EZB reflektiert aber auch die wirtschaftliche Situation und die strukturellen Probleme. Frühindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex deuten auf eine anhaltende Schwäche hin. Die geopolitischen Spannungen und politische Unsicherheiten in den USA tragen zu einer pessimistischen Stimmung bei. Niedrigere Zinsen sollen Investitionen für Unternehmen günstiger machen und, so die Hoffnung, die Wirtschaft beleben. Laut dem schriftlichen Statement der EZB liegen die Zinsen im Euroraum immer noch auf einem Niveau, das die Konjunktur bremst und die Inflation dämpft. EZB-Präsidentin Christine Lagarde antwortete in der Pressekonferenz auf die Frage, ob sich die EZB mittlerweile stärker um das Wachstum als um die Inflation sorge, beides würde direkt zusammenhängen. Man müsse sich die Wachstumsaussichten genau ansehen, da sie die Inflationsentwicklung direkt beeinflussen. Was im Dezember geschehen wird, darauf legte sie sich nicht fest. Im Dezember wird jedoch feststehen, wer die nächsten vier Jahre im Weißen Haus regiert, und ob dies das Risiko von Handelsspannungen, das Lagarde in der Pressekonferenz hervorhob, erhöht.